Potsdam: Häuser, denen die sie brauchen! Von Wohncontainern und Betonkirchen

lerchensteig2Wer mit kritischen Blick die letzten Entwicklungen in Potsdam rund um Fragen der Stadtplanung und nach Wohnraum beobachtet, stößt schnell auf widersprüchliche Diskussionen und Entscheidungen hinsichtlich kommunaler und sozialer Aufgaben.

Auf der einen Seite hat die Stadt trotz jahrelanger Widerstände und fundierter Einsprüche, den Wiederaufbau des Turmes der Garnisionskirche nun endgültig genehmigt. D.h. 2017 soll, so der Plan, an der Breiten Strasse eine dem originalen Turm nachempfunde Kopie wieder eröffnet werden. Die Palette der Argumente gegen den Wiederaufbau war von Anbeginn der Diskussion weitgefächert, doch schient keines der Argumente gewichtig genug die Pläne der zum großen Teil aus erzkonservativem Milieu stammenden Befürworter seitens der Stadt zu stoppen. Anstatt kritisch die historische Dimension und die Symbolhaftigkeit des Gebäudes und seiner Bedeutung für die Gegenwart zu reflektieren und über eine angemessene, zeitgenössischer Stadtplanung und Architektur nachzudenken, wird weiterhin mit Hilfe der Stadt an allen Ecke der sogenannten historischen Innenstadt krampfhaft preussische Geschichte in Beton gegossen.
Angesichts dieser Entwicklung drängen sich geradewegs mehrere Fragen auf: Was hat das alles mit den tatsächlichen Bedürfnissen der BewohnerInnen Potsdams, ausgenommen der BefürworterInnen der Initiative „Mitteschön“ und ähnlichem Klientel, zu tun? Wozu braucht mensch ein Stadtschloß, eine Garnisionskirche oder ein Palais Barberini, wenn mensch Stück für Stück den eigenenen Lebensgrundlagen beraubt wird, indem die Mieten und alltäglichen Kosten immer mehr ins Unbezahlbare steigen? Wer vertritt hier politisch noch welche Interessen, mal ganz gutgläubig gefragt?

VerliererInnen dieser Entwicklung sind auf der anderen Seite insbesondere die Menschen, die werder über ein ausreichendes ökonomisch Kapital verfügen, als auch keine Lobby in den Räumen der Stadtverwaltung haben und ganz allgemein am untersten Ende der Gesellschaft stehen, also Menschen ohne deutschen Pass und meist auch ohne sicheren Aufenthaltsstatus. Aus diesem Grund ist es überhaupt möglich, dass die Stadt seit Monaten über die erneute Einrichtung eines Containerlagers für Flüchtlinge diskutiert, ohne dass es zu einem ernsthaften moralischem Einspruch aus dem bürgerlichem Spektrum kommt.
Das Hauptargument für die Container ist einmal mehr der fehlende, „sozialverträgliche“ und bezahlbare Wohnraum. Nach Jahren des Rückgangs und der Stagnation der Anträge auf Asyl in Deutschland, steigen seit 2012 erstmals wieder die Zahlen, d.h. es kommen wieder mehr Menschen auf der Suche nach Schutz auch nach Potsdam. Da die Zahlen der letzten Jahren sehr gering waren, wurden auch suggsessive die Unterbringungskapazitäten zurückgefahren. Gleichzeitig konnten viele Menschen auch ohne unbefristeten Aufenthalt in eine eigene Wohnung ziehen, sofern sie eine fanden, die auch das Sozialamt bezahlt. Doch die Suche nach einem eigenen Wohnraum gestaltet sich insbesondere für Flüchtlinge immer schwieriger, wenn selbst MieterInnen mit einem deutschen Pass Probleme haben eine dem Geldbeutel passende Wohnung zu finden. Das es nun angeblich zu einem Unterbringungsproblem für Flüchtlinge kommt, ist also ein hausgemachtes Problem.
Es soll an dieser Stelle auch an das ehemalige Lager für Flüchtlinge im Lerchensteig erinnert werden, dass nach jahrelangen Protesten aufgrund der Isolation und den massiven baulichen Mängel geschloßen wurde. Anscheinend war es eine Täuschung zu glauben, die Zeiten sind vorbei, in denen Menschen, egal woher sie kommen, in Container am Stadtrand sitzen müssen. Ein Irrtum.

Aber wahrscheinlich sind dies alles gar keine Wiedersprüche, sondern einfach nur zwei Seiten einer Medaille, oder viel mehr Ausdruck der herrschenden Verhältnisse und neoliberaler Verwertungslogik. Die Frage, die sich an dieser Stelle aufdrängt, ist, ob mensch sich mit derartigen Entscheidungen abfinden muss oder ob es nicht einmal mehr ein Grund ist, die eigne Stimme zu erheben und sich aktiv in das stadtpolitische Geschehen einzumischen!? Gelegenheit gibt es dafür am z.B. bei der Demonstration am 17.8. (Treffpunkt 16 Uhr am Platz der Einheit) An diesem Tag werden wir gemeinsam, laut, bunt und solidarisch durch die Stadt ziehen, denn „Die Stadt sind wir alle!“

Tags: