Am frühen Morgen von Freitag auf Samstag, den 07.02.2015, führte das Movimento dos Trabalhadores Sem Teto (MTST – Bewegung des Wohnungslosen Arbeiter*innen) die bisher grösste Aktion im Kampf für Wohnraum in Brasilien durch. Sechs Flächen Land wurden gleichzeitig im Distrito Federal (DF – Regierungsbezirk) in den Städten, Ceilândia, Planaltina, Recanto das Emas, Samambaia und Taguatinga (Anm.: in der Nähe der brasilianischen Hauptstadt Brasília – http://osm.org/go/NuOfePt- ) besetzt.
Die Besetzungen sind für unbestimmte Zeit. “Heute prägen wir die Geschichte im Kampf um Wohnraum, mit dem grössten Zeichen der Organisation der Bewegungen für eine urbane Reform. Wir möchten die unmittelbare Zuweisung der besetzten Flächen als öffentlichen Wohnraum”, bestätigt Edson Silva von der landesweiten Koordination des MTST.
Forderungen und Pressekonferenz
Die Koordination des MTST gibt die Forderungen in einer Pressekonferenz am Samstag den 07.02, um 12Uhr mittags, in Ceilândia bekannt, in der Besetzung am Centro Administrativo do GDF (Governo do Distrital Federal – Landesregierung des Distrito Federal).
MTST fordert eine konkrete Wohnraumpolitik ein, die den 2500 Familien dient, die die Besetzungen durchführen, mit der Zuweisung der besetzten Flächen als öffentlichen Wohnraum, sowie guten öffentlichen Services in der Region zu Gunsten der örtlichen Gemeinschaft.
MTST, a luta é pra valer
Solange Wohnen eine Privileg ist, ist Besetzen eine Verpflichtung.
Mehr Infos
Übersetzt von Passa Palavra http://passapalavra.info/2015/02/102538
Mtst http://www.mtst.org/
Mercado Sul http://www.mercadosul.org
Updates
– Möglichkeit der illegalen und gewaltsamen Räumung in Brazlândia
– In Recanto das Emas: in angespannter Lage, provoziert durch die Polizei, errichten die dachlosen Familien ihr Lager in einer verlassen Schule des Governo do Distrital Federal.
– Die 5 Besetzung für Wohnraum des MTST, die dieses Wochenende im Distrito Federal begannen, möchten kämpferische Frauen honorieren und alle Frauen wertschätzen, die in der Bewegung kämpfen. Darum wurden die Besetzungen wie folgt benannt:
Brazlândia: Ocupação Dorothy Stang
Ceilândia: Ocupação Rosa Luxemburgo
Planaltina: Ocupação Maria da Penha
Recanto das Emas: Ocupação Anita Garibaldi
Samambaia: Ocupação Olga Benário
– In Taguatinga wurde die Besetzung zusammen mit dem Movimento Mercado Sul Vive – Beco Cultural (Bewegung lebendiger Mercado Sul – kulturelles Beco) durchgeführt. Hier ist das Manifest der Besetzung:
Für die einen sind wir Beco, für die anderen eine kulturelle Nische (Anm.: Beco heisst auch Nische, Gasse). Wir sind die lebendige Geschichte des alten Mercado Sul von Taguatinga.
Wir, die kulturelle Bewegung, die Arbeiter*innen und Bewohner*innen von Beco, haben diesen Samstag (07.02) zusammen mit dem Movimento dos Trabalhadores Sem-Teto (MTST) unseren Prozess der Übernahme der Stadt begonnen. Die Stadt die wir aufbauen, die Nische in der wir leben, in der unsere Kinder aufwachsen, unsere Kämpfe und unsere Kunst entstehen.
Wir nehmen uns die verlassenen Läden zurück, die leeren Ruinen, die seit mehr als 10 Jahren die Sicherheit, die physische, soziale und kulturelle Gesundheit, und die Umwelt des Mercado Sul beeinträchtigen. Weil wir glauben, dass das Recht zu Wohnen sich nicht unter die Interessen der Immobilienspekulation unterordnen darf, die geschlossene Räume bevorzugt, entschieden wir, diese zu besetzen und wieder zu öffnen, mit dem Vorschlag ein weiteres Eckchen der Stadt zurück zu gewinnen, für ein gesundes und kollektives Leben und Zusammensein.
Auf unserem Weg, gewoben durch viele Hände und im andauernden Prozess des Entstehens, haben wir gelernt, dass die Stadt in Übereinstimmung stehen muss mit der kollektiven Kraft, die sie erzeugte und fortwährend erzeugt, die dem Gemeinwohl dient und Teilhabe ermöglicht. Damit befürworten wir das Recht auf Stadt einzufordern, wie so viele andere Gruppen und so viele andere organisierte Gemeinschaften weltweit.
Das Estatuto da Cidade (Statut der Städte) begreift eine Fläche oder urbane Anlage, die nicht ihre soziale Funktion erfüllt, als Gemeinwohl der Stadt, das der Gemeinschaft zugeschrieben werden muss. Wem sonst sollen schliesslich die Stadtteile und die eigene Stadt nutzen? Trotzdem dürfen wir nicht nachlassen zu begreifen, dass die Situation, die wir heute erleben, unsere Rechte verletzt und das wir diese entschlossen verteidigen müssen.
Wir beabsichtigen den historischen Ort von Taguatinga (und von DF) zu erhalten, in seiner architektonischen Dimension wie auch in seinem menschlichen Maßstab, mit den Leben die hier gelebt werden und der Kultur, die seit Jahrzehnten an diesem Ort floriert. Hier wurden Gitarren gebaut, Mamulengos (Puppentheater), Kunsthandwerk und Geräte mit Papier und Zement hergestellt.
Hier wird die Gasse zur Bühne – Capoeira Runden, Schule, Markt – wir werden Gemeinschaft – Zufluchtsort, Ort der Produktion und des Lernens. Hier entstanden unzählige kulturelle Initiativen und Kollektive…
Mit dieser Bewegung beabsichtigen wir den Wohnraum und die Arbeit derer zu würdigen, die hier leben, bestehende Aktionen zu stärken, auszudehnen und zu verwurzeln, und neue Aktionen und Initiativen mit Mitteln und Hilfe zu unterstützen, um ein Zentrum des kulturellen Schaffens und der kulturellen Ausbreitung in Taguatinga zu gestalten.
Das sind unsere Träume. Der erste Schritt ist getan. Jetzt hängt es von uns ab zu kämpfen, für einen realen und gemeinschaftlichen Traum.
Wir laden alle ein die diesen Kampf mit uns teilen möchten, diese Bewegung vor Ort und virtuell zu unterstützen. Wir laden ausserdem alle Kollektive, Bewegungen, Initiativen und Gruppen dazu ein, Solidaritätserklärungen zu schreiben.
In diesen ersten Momenten möchten wir den Ort wachrütteln, die Läden bewohnbar und schön machen, voll mit Leben, genauso wie die Strassen mit Farbe und Kunst, und die ersten Tage mit allen möglichen Aktivitäten beleben.
Wir benötigen Materialspenden fürs Saubermachen, Malen und Einrichten:
Eimer, Lappen, Besen, Ziegel, Farbe, Pinsel, Farbrollen, Chlor, Seife, Toilettenpapier, Sofas, Tische, Stühle, Zement, …
Komm um Geschichte zu schreiben! Jeder Tag ist ein Tag des Feierns, der Arbeit, des Kampfes und des Gemeinschaftlichen.
Mehr Informationen und Neuigkeiten:
– Das Program in den Besetzungen am Montag (09.02)