Am 27. Februar 2021 wurden 8 anarchistische Genoss*innen aus Italien, Frankreich und Spanien während der Riots in Barcelona verhaftet, als Folge der Proteste, die seit der Verhaftung von Pablo Hasél vom 16. Februar stattfinden. Alle befinden sich derzeit ohne Kaution in Untersuchungshaft im Gefängnis Brians I (Katalonien). Der diensthabende Richter des 17. Gerichts von Barcelona, klagt sie wegen der Zugehörigkeit zu einer krimineller Vereinigung, des versuchten Mordes, der Teilnahme an einer illegalen Demonstration, des Widerstands gegen die Staatsgewalt, der Sachbeschädigung und der Störung der öffentlichen Ordnung an.
All dies geschah in Folge des in Brandsetzen eines Fahrzeuges der Bereitschaftspolizei der Guardia Urbana von Barcelona, einer Polizeitruppe, die eine lange Geschichte von Folter und wahlloser Gewalt gegen Migrant*innen und Obdachlosen aufzuweisen hat (1); und die die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau (Barcelona en Comú), bei den Kommunalwahlen 2015 aufzulösen versprach (2). Aber, wie wir sehen können, sind sie immer noch da.
All diese Anschuldigungen werden von einem propagandistischen Apparat seitens der Medien begleitet, die als Werkzeug des Staates die Repression gegen unsere Genoss*innen rechtfertigen und ein Klima der Angst entfachen, um die Proteste zu zerschlagen.
Aus diesem Grund glauben wir, dass es notwendig ist, einen Blick zurück auf die Fakten zu werfen, um diesen neuen Polizeifabrikationen aufzuzeigen. Am Donnerstag, den 25. Februar, trafen sich die katalanische Regierung und die wichtigsten Vertreter*innen des Wirtschafts-, Handels- und Tourismussektors, um ein Ende des „Vandalismus“ zu fordern. Daraufhin erklärte einer der Wirtschaftsvertreter: „Es gab eine sehr wichtige Zusammenarbeit und Übereinkunft zwischen der Regierung und den Vorschlägen, die wir gemacht haben, um die radikalen Handlungen auszumerzen“. Noch am selben Samstag wurden die 8 Genoss*innen verhaftet und über die Medien beschuldigt, die Proteste angezettelt und den Einsatzwagen der Polizei in Brand gesetzt zu haben. Am folgenden Montag, dem 1. März, wurden Razzien in besetzten Häusern in Mataró und Canet de Mar, Katalonien, durchgeführt (3). Zu den anfänglichen Anschuldigungen kamen die Zerstörung von 5 Banken, einem Bekleidungsgeschäft und einem Hotel hinzu. Der einzige Beweis gegen sie ist die Aussage der Polizei, die behauptet, Videoaufnahmen zu haben und nun auf die Ergebnisse von DNA-Tests wartet. Die Grundlage der Polizei für die Behauptung, dass diese Leute zu einer kriminellen Vereinigung gehören, ist die Behauptung, dass sie Anarchist*innen und Hausbesetzer*innen seien und dass sie alle den den gleichen Typ von Feuerzeug bei sich trugen. Zudem sei ein Graffiti eines A für Anarchie auf das Polizeifahrzeug gemalt worden, bevor es in Brand gesetzt worden war. Die Festgenommenen, die keine Vorstrafen haben, werden von den Medien und dem Staat benutzt, um die Repression auf sie zu kanalisieren.
Wenn wir uns an die Polizeiaktionen Pandora und Piñata (4) erinnern, wird deutlich, dass wir wieder einmal mit einer Operation konfrontiert sind, die darauf abzielt, die Selbstorganisation und Proteste gegen diesen Staat und seine Missstände zu stoppen. Nicht einzelne Geschehnisse werden verurteilt, sondern eine ideologische Strömung, die den kapitalistischen Interessen zuwiderläuft. Sie werden verurteilt, weil sie Anarchist*innen sind. Der Vorwurf, einer kriminellen oder terroristischen Organisation anzugehören, wird in solchen Konstellationen allmählich zur Normalität. Mit dem Verschwinden der ETA haben wir gesehen, wie sich das Vorgehen des Staates mehr und mehr auf die anarchistische Bewegung konzentriert, um einen inneren Feind zu schaffen und Repression zu rechtfertigen. Das gibt ihnen grünes Licht, unser Leben zu kriminalisieren: Durch polizeiliche Schikanen, Razzien, Hausdurchsuchungen, Verletzung unserer Privatsphäre sowie unserer politischen Orte und Räume, Inhaftierung in Knästen usw.. Damit wollen sie uns psychologisch und ökonomisch zermürben und so unsere Kämpfe destabilisieren und aufhalten. Obwohl es einen großen Unterschied in der Medienberichterstattung über diese Art von Ereignissen gibt, können wir eine gewisse Verbindung zu Deutschland finden, mit der Anwendung des Artikels § 129, § 129a (Bildung krimineller und Bildung terroristischer Vereinigungen).
Seit der Verabschiedung des sogenannten Bürgersicherheitsgesetzes von 2015, Ley Mordaza, hat die Repression in allen Teilen des Territoriums des Spanischen Staates zugenommen. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass Bußgelder erhöht, strafrechtliche Verfolgungen verschärft sowie der Einsatz von tödlichen Waffen wie Tasern, Schaumstoff- und Gummigeschossen erweitert wurden. Bei den Protesten dieser Tage schoß ein Polizist mit einem Schaumstoffgeschoss wieder einmal auf ein Auge einer Demonstrantin, die dadurch ihr Auge verlor. Doch trotz der anschaulichen Beweise weigern sich die staatlichen Autoritäten noch Wochen später, die Tatsachen anzuerkennen, ohne dass dies Konsequenzen für die Polizei hätte.
Mit dieser jüngsten Episode der Repression wollen sie den Fokus auf unsere Genoss*innen legen und die Gewalt, die wir Tag für Tag erleben, unsichtbar machen. In einem Land, in dem das Bildungs- und Gesundheitswesen privatisiert ist, die Zahl der Zwangsräumungen nicht abgenommen hat, die Arbeitslosigkeit unter der jungen Bevölkerung bei 40% liegt, es über Nacht adhoc – Abschiebungen und Abschiebegefängnisse (CIEs) (5) gibt, jedes Jahr etwa 100 Frauen* ermordet werden, verstärken die staatlichen Maßnahmen und Restriktionen im Zusammenhang mit Covid die Repression weiter. Während sich der in allen Teilen der Gesellschaft existente Faschismus Hand in Hand mit dem Liberalismus, wohlfühlt, wird jede Art von Protest und soziale Organisierung verboten. Im Angesicht der Versuche, uns zum Schweigen zu bringen, wird unsere stärkste Waffe immer die Solidarität sein.
Freiheit für unsere inhaftierten anarchistischen Gefährt*innen und allen anderen von Repression betroffenen.
LINKS:
(2) https://insurgente.org/ada-colau-amplia-la-unidad-antidisturbios-que-prometia-disolver-en-2015/
(3) In einem von den Mossos dÉsquadra (Katalanische Polizei) veröffentlichten Video präsentieren sie die Beschlagnahmungen als gefährliche Gegenstände: Plakate in italienischer Sprache, Motorradhelme, Kleidung, Bücher, Fanzines usw.
(4) https://en.squat.net/2018/02/07/spanish-state-temporary-end-of-the-anarchist-terrorism-myth/
(5) Abschiebegefängnis
Einige Hausbesetzungen in Katalonien https://radar.squat.net/de/groups/country/XC/squated/squat
Einige Gruppen (Kollektive, soziale Zentren, Hausbesetzungen) in Katalonien https://radar.squat.net/de/groups/country/XC
Veranstaltungen in Katalonien https://radar.squat.net/de/events/country/XC
Kontrapolis https://kontrapolis.info/2638/