Am gestrigen Tage (10.4., ca. 14:00) wurde am Amtsgericht Mainz der erste Prozess gegen eine Aktivistin von Squat:Mainz eröffnet. Sie soll sich laut Anklage bei der Räumung im Haus befunden haben und wird des Hausfriedensbruchs beschuldigt. Dabei zeigte sich der leitende Richter Johannes Wörsdörfer schon zu Beginn des Prozesses als befangen, als er die solidarische Öffentlichkeit zunächst am Zutritt zum Prozess hinderte und dann des Saales verwies, um eine Unterstützung der Beschuldigten zu verhindern. Das Verfahren selbst verlief ergebnislos; ein für die Beschuldigte wichtiger Beweisantrag wurde zurückgestellt, jedoch nicht abgelehnt. Das Publikum musste sich derweil vor verschlossenen Türen vergnügen. Gegen 17:20 Uhr wurde das Verfahren schließlich auf den 18.4. vertagt, da der Beweisantrag der Angeklagten die Vorladung der Stadtwerkevorstände Hanns-Detlev Höhne und Werner Sticksel erfordert.
Gericht zeigt sich voreingenommen
Zu Beginn des Prozesses (ca. 13:30 Uhr) hatte sich bereits eine interessierte und solidarische Öffentlichkeit von etwa 60 Personen beim Amtsgericht Mainz eingefunden. Nach langwierigen und unangemessen ausführlichen Kontrollen wurden die Unterstützer_innen der Angeklagten schließlich nach etwa einer Stunde in den Gerichtssaal vorgelassen. Doch dort begannen gleich zu Prozessbeginn die ersten Schikanen gegen die Angeklagte Anna W.: So wurden ihr durch die Justizbeamt_innen ohne Angabe von Gründen ihr mitgebrachtes Getränk abgenommen, das sie erst auf Antrag ihres Rechtsanwalts zurückerhielt. Das endlich eingetroffene Publikum wurde jedoch des Saales verwiesen, unter anderem mit der Begründung, es könne zur psychischen Unterstützung der Angeklagten beitragen. Auch wollte der Jugendgerichtshelfer die Verhandlungen frühzeitig verlassen und zeigte wenig Interesse für die Belange der Angeklagten. Die nachfolgende Räumung des Saales durch Justizbeamte zog sich unter lautem Protest der Unterstützer_innen der Angeklagten über 15 Minuten hin. Dabei gab es einige leicht Verletzte, da die Justizbeamte zum Zwecke der Räumung Gewalt anwendeten.
Angeklagte gedemütigt und psychisch unter Druck gesetzt
Die Angeklagte Anna W. fühlt sich durch dieses Gebahren des Gerichts erniedrigt: “Ich empfand dieses ganze Vorgehen als hinterhältig und demütigend. Warum soll ich nicht trinken dürfen, wenn ich viel reden muss? Schließlich muss ich mich hier verteidigen. Und warum darf mich die Öffentlichkeit nicht unterstützen und Interesse an diesem politisch bedeutsamen Verfahren zeigen? Der Richter ist eindeutig befangen, wenn er derart offen Partei gegen mich ergreift und muss dringend ausgewechselt werden!” Ein Befangenheitsantrag gegen den Richter wurde jedoch von Gerichtsdirektor Matthias Scherer abgelehnt. Offenbar beabsichtigte das Gericht hier, psychischen Druck gegen die Angeklagte zu erzeugen. Dies liegt umso mehr nahe, nachdem der Richter Wörsdörfer in einer späteren Verhandlungspause Anna W. auf eine Einstellung des Verfahrens gegen eine politische Verzichtserklärung ihrerseits drängte: Sie solle Reue für ihre Taten zeigen und erklären, zukünftig nicht wieder so zu handeln.
Angeklagte stellt Beweisantrag gegen vorbestrafte Stadtwerkevorstände
Eine unerwartete Wende hingegen nahm das Gerichtsverfahren, als die Angeklagte einen ersten Beweisantrag in den Prozess einbrachte. Sie forderte die Prüfung der Eigentumsverhältnisse und des Hausrechts in der Oberen Austraße 7 im letzten August, als die Stadtwerke ihren Strafantrag stellten. Sollte sich herausstellen, dass der Strafantrag der Stadtwerke nicht rechtskräftig war, wären damit der laufende Prozess, sowie alle weiteren Verfahren gegen andere Beschuldigte hinfällig. Dass solche tiefgehenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Räumung berechtigt sind, konnte die im Prozess des Hausfriedensbruchs beschuldigte Anna W. leicht deutlich machen: Die beiden Vorstände der Stadtwerke sind bereits vorbestraft, weil sie bei der Wahrnehmung unternehmerischer Interessen öffentliche Gelder veruntreut hatten.
Erste Zeug_innen ohne großen Erkenntnisgewinn vernommen, Prozess vertagt
Auch im vorliegenden Fall besteht der Verdacht, dass die Stadtwerke aufgrund von Druck seitens ihres Partnerunternehmens CA Immo mit ihrem Strafantrag widerrechtlich gehandelt haben und das Hausrecht in der Oberen Austraße 7 gar nicht innehatten. Die Stadtwerke und die CA Immo sind beide an dem zukünftigen Luxusviertel “Zollhafenquartier” beteiligt, das in unmittelbarer Nachbarschaft zur OA7 gelegen ist. Der Beweisantrag besitzt nach alledem also entscheidende Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens, und wurde daher von Richter Wörsdörfer angenommen. Die Befragung einiger erster Polizeizeug_innen erbrachte hingegen nichts Neues. Sie behaupteten erwartungsgemäß, die Angeklagte aus dem Haus getragen und ihren Rucksack durchsucht zu haben. Da die Stadtwerkevorstände Höhne und Sticksel jedoch noch nicht anwesend waren und als Zeugen befragt werden konnten, wird der Prozess am 18.4., 9 Uhr an gleicher Stelle fortgesetzt.
Solidarität mit Anna W. ungebrochen
Dennoch ist die Solidarität seitens der ausgeschlossenen Unterstützer_innen und der übrigen Öffentlichkeit ungebrochen. Diese sah sich gezwungen, sich mangels besserer Beschäftigung vor dem Gerichtssaal selbst zu unterhalten. Das gelang – dank des kreativen Talents, für die die Menschen von Squat:Mainz bekannt sind. Zunächst wurde für die Angeklagte laut das Lied “This Land Is Your Land” gesungen. Später brachten die Solidarischen ihr Nichteinverständnis mit der “Würde” eines solchen Gerichts durch Jonglierspiele und laute Unmutsbekundungen zum Ausdruck. Auch zum zweiten Verhandlungstag wollen sie wieder zur Unterstützung der Angeklagten und zur kritischen Beobachtung des Prozesses erscheinen. Mia Heisler aus der OA7 kündigt an: “Wir haben heute unser Bestes getan, trotz der Behinderung durch das Gericht eine kritische und solidarische Öffentlichkeit für Anna zu sein. Und wir werden wiederkommen!” Die Angeklagte selbst, die während des Prozesses souverän und gefasst auftrat, triumphiert: “Wenn Höhne und Sticksel unbedingt auf ihrer Position beharren wollen, dann kriegen sie auch, was sie wollen. Aber sie sollen nicht erwarten, dass sie sich dabei einfach in ihren Sesseln zurücklehnen können.”
Wir laden auch Sie als Vertreter_innen der Presse zum zweiten Prozesstag erneut herzlich ein und begrüßen Ihre Berichterstattung sehr.
Unsere Kontaktdaten:
E-Mail: squatmainz [at] riseup [dot] net
Presse-Tel.: 0152 12144828
Webseite: squatmainz.org/kontakt
Twitter: @SquatMainz