In Hamburg gab es erneut den Versuch einer Hausbesetzung. Nach den repressiven Rückschlägen bei der Hausbesetzungswelle im letzten Herbst und mehreren Versuchen dieses Jahr wurde erneut versucht gegen die restriktive und repressive Haltung der Stadt Hausbesetzungen durchzusetzen. Dabei wurde zum Mittel der Hausbespielung gegriffen und das ehemalige Verlagshaus des Spiegels ausgesucht.
Schon lange raunt ein Gerücht durch Hamburg, dass die Kontinuität der Hausbesetzungen auch dieses Jahr nicht abreissen wird. Getroffen hat es dieses mal das ehemalige Verlagshaus des Spiegels, welches seit geraumer Zeit schon leer steht. (siehe http://leerstandsmelder.de/hamburg/places/805-ehemaliges-spiegel-verlagshaus )
Die AktivistInnen hatten sich die Form der Hausbespielung ausgesucht, bei der das ausgesuchte Haus mit Musik und Tanz wiederbelebt wird um auf dessen Leerstand aufmerksam zu machen. Ein gemischtes Publikum von rund 150 Leute kamen zusammen, um pünktlich um Mitternacht gemeinsam das Haus wiederzubeleben. Rund eine Stunde wurde gemeinsam getanzt, ehe die zügig herbeikommende Polizei das Gebäude umstellt hatte. Der Stimmung tat dies aber nur bedingt Abbruch – es ging zwar doch viel zügiger als erhofft, aber immerhin wurde mit guter Laune selbstbestimmt ein weiteres Zeichen gegen Wohnungsnot gesetzt. Verhandlungen mit der Polizei ergaben, dass die AktivistInnen das Gebäude freiwillig räumen, wenn auf die Feststellung der Personalien verzichtet wird. So konnte die Aktion ohne Verletzte oder Festgenommene beendet werden, was in Deutschland und Hamburg im speziellen ja leider nicht selbstverständlich ist.
Die Protestform der Hausbespielung wurde in der letzten Zeit schon mal angewendet, so z.B. am 1. April, bei der AktivistInnen ein zum Abriss freigegebenes Haus im Norden der Schanze besetzten. Während meistens Hausbespielungen komplett klandestin in kleinen Gruppen verlaufen und das Haus verlassen wird bevor die Polizei genügend Kräfte für repressive Maßnahmen vor Ort hat so wurde dieses mal versucht, diese Protestform einem größeren Kreis zu öffnen. Dazu wurde von verschiedenen Startpunkten zum Ziel gelotst, was dann auch gemeinsam betreten und betanzt wurde. Immerhin 150 Menschen folgten dem Aufruf und schafften es bis in das Gebäude. Damit hat sich diese Hausbespielung als erfolgreich darin gezeigt, Regelüberschreitungen wie Hausbesetzungen auf eine breitere aktive Basis zu stellen, die nicht nur von außen ihren Support zeigt, sondern aktiv dabei ist.
Das aus einer Hausbespielung auch schnell eine Hausbesetzung werden kann zeigt die Geschichte des Gängeviertels, welche durch ein “Hoffest” begann und in eine bis heute andauernde Besetzung von 12 Häusern im Zentrum der Stadt mündete. Das Gängeviertel hat es seinerzeit durch viel Verhandlungsgeschick und dem immensen Rückhalt in der Bevölkerung geschafft hat, sich auf den Weg einer Legalisierung zu begeben, auf dem es sich noch immer befindet.
Die heutige Aktion war ein temporäres und erfrischendes Zeichen, aber wer weiß, ob es dieses Jahr dabei bleiben wird. Denn die Wohnungsnot in Hamburg ist ungebrochen und der Leerstand in Hamburg ist beachtlich. Frischen Wind in der Debatte um Legalisierung von Hausbesetzungen als Mittel gegen Spekulation und Wohnungsnot kann Hamburg jedenfalls gut gebrauchen.
Der Verteilte Flyer
Vorderseite
Die Aufzählung der Missstände in dieser Stadt würde den Rahmen dieses Textes sprengen- auf der Rückseite dennoch ein Versuch. Doch was ist damit gewonnen sich über irgendeinen neuen „Skandal“ zu empören oder das kleinste Zugeständnis zu bejubeln?
Während wir mit dem Gesicht zur politischen Bühne stehen und das Schauspiel mit aller Ernsthaftigkeit studieren, werden hinter unserem Rücken die Eigentumsverhältnisse zementiert und uns der Boden buchstäblich unter den Füssen entzogen. Wer sich fragt, wie die Miete am Ende des Monats diesmal zu bestreiten sei oder wo sie heute Nacht schläft, sollte endlich aufhören auf eine Lösung von Oben zu warten.
Der Fokus muss wieder auf die Wurzel des Problems gelenkt werden: Innerhalb der kapitalistischen Ordnung ist jeder Versuch, Wohnraum nicht mehr als Ware zu verwerten, sondern einzig am Bedürfnis der ihn bewohnenden Menschen zu orientieren sinnlos, da der Fehler systemimmanent ist.
Wir fordern kein Recht auf eine bezahlbare 2-Raum-Wohnung in zentraler Lage – wir fordern überhaupt nichts mehr! Wir wollen uns unseren Lebensraum wieder aneignen und selbst gestalten.
Lebensraum, ist genau wie Wasser, Luft und Nahrung eine der unveräußerlichen Lebensgrundlagen des Menschen, ohne die Existenz, geschweige denn Entfaltung und selbstbestimmtes Leben nicht möglich sind.
Aber dieser Raum ist okkupiert von den Interessen einiger weniger Immobilienbesitzer und lässt auch keinen Platz für die 300 aus Libyen geflohenen Flüchtlinge, die in diesem Augenblick die Nacht auf Hamburgs Straßen oder in temporären Zeltlagern verbringen. Hier wäre jedenfalls genug Platz für sie…
Es ist verwunderlich, dass wir diese Zustände so lange hingenommen haben und uns eher einen zweiten Scheiss-Job suchen, um die Miete zu zahlen, statt einen Mietstreik zu organisieren. Doch Vereinzelung, Abstumpfung und Angst vorm endgültigen sozialen Abstieg haben zu einer Art Massenparalyse geführt, in der jeder Anlauf nur ein halbherziger ist.
Selbst unter jenen, die noch irrationale Hoffnung genug besitzen, mit Mitteln wie Hausbesetzungen wieder ein kleines Stück des verlorenen Terrains zurück zu erlangen macht sich Resignation breit.
Grund hierfür ist die massive Repression mit der der Staat mittlerweile jeden Versuch der Selbstorganisation bereits im Keim erstickt und Menschen kriminalisiert, die nichts anderes tun, als die legitime Verteidigung ihrer Lebensgrundlagen und des ihnen von Geburt an gegebenen Rechts auf Freiheit.
Wenn also alles zum Scheitern verurteilt ist, warum sind wir dann heute hier?
Wir glauben nicht daran, ohnmächtig den bestehenden Verhältnissen ausgeliefert zu sein!
Die Macht der Herrschenden beruht allein auf unserer Angst und unserem Gehorsam – Das Gegengift ist Mut, Entschlossenheit und Ungehorsam!
Wir sind viele – nur wenn wir uns mit den Kämpfen der anderen solidarisieren, haben wir eine Chance!
Rückseite des Flyers:
Hamburg — die weltoffene Stadt, in der einem immer ein fresher Wind um die Nase weht… Vielleicht aber auch eine steife Brise.
Hamburg, dessen SPD-regierter Senat sich für die Stärkung von Mieterrechten einsetzt und überhaupt alles ihm in der Macht stehende unternimmt, um für „soziale Gerechtigkeit“ zu sorgen- bei allem, was dann doch nicht unternommen werden kann, müssen „Sachzwänge“ und „Alternativlosigkeiten“ herhalten, die angeblich gebundenen Hände werden mit großem Bedauern vorgestreckt.
Natürlich handelt es sich hier keinesfalls um eine tatsächliche Handlungsunfähigkeit, sondern um politische Entscheidungen, die aus einer auf ökonomische Verwertung abzielenden Logik heraus getroffen werden. Eine Stadtentwicklungspolitik, die sich an vorhandenen Bedürfnissen und tatsächlichen Notwendigkeiten orientiert, ist damit verunmöglicht, was zählt ist das Investitionskalkül, welches nicht nur gefördert, sondern aus welchem heraus selbst gehandelt wird.
Was wir in dieser Stadt vorfinden, ist eine Wohnungsnot, deren Ursache in einem Mangel an bezahlbarem bzw. Wohnraum überhaupt liegt. Dem steht ein immenser (spekulativer) Leerstand gegenüber- an Wohn- wie auch Bürofläche, wobei letztere Größe derzeit um die 1,2 Millionen qm beträgt. Diese nicht in Wohnraum zu verwandeln ist genauso eine Entscheidung wie die, den Büroleerstand des Überseequartiers städtisch zu subventionieren. Als global city unter dem Druck permanenter Konkurrenz stehend, muss das Bild einer florierenden Ökonomie nun einmal um jeden Preis aufrechterhalten werden. Hier reiht sich auch das Großbauprojekt Elbphilharmonie ein, bei dem die Stadt gegenüber Hochtief nicht nur auf Schadensersatzforderungen in Höhe von 244 Millionen € verzichtet, sondern obendrein 200 Millionen € extra hat springen lassen – nur nebenbei, die Hälfte davon, nämlich 100 Millionen €, wird vom Hamburger Senat jährlich an Mitteln zum Neubau von Sozialwohnungen aufgewendet.
Die Privatisierung öffentlicher Immobilien sowie öffentlichen Grund und Bodens hat das ihrige zur Verschärfung der Wohnungsnot beigetragen. Dazu kommt ein Wohnungsmarkt, der keinerlei Regulierungen unterworfen ist. Mieterhöhungen sind hier keine Grenzen gesetzt, was folgt, ist die Verdrängung bestimmter Bevölkerungsgruppen aus den innerstädtischen Quartieren. Diese gesellschaftlich Abgehängten dürfen sich in der Peripherie dann gern wieder zusammenfinden. Der freie Markt richtet, was er zu richten hat.
Dass an dieser Gentrifizierung ordentlich mitverdient wird ist klar. Dass diese politisch gewollt und betrieben ist, zeigt sich auch anhand der geplanten Beschränkung von Mieterhöhungen, welche zwar als Zugeständnis verstanden werden könnte, de facto aber nicht viel mehr als eine Einschränkung in gewissem Maße bedeutet. Was hier betrieben wird, ist eine sozialdemokratische Imagepflege, die sich an die Mittelschicht richtet und die tatsächlich Prekarisierten von vornherein außen vor lässt. Auch die Einführung des Wohnraumschutzgesetzes, das u.a. den längerfristigen Leerstand von Wohnraum verhindern soll, lässt sich der Öffentlichkeit gut als entschlossenes Handeln verkaufen. Angesichts unzureichender behördlicher Ressourcen zur Umsetzung desselben, bleibt es hier aber bei einer reinen Symbolpolitik.
Was nun als Lösung der genannten Problematik herzuhalten hat, ist der Neubau. Dass dieser erst dann zum Thema wird, wenn der Bestand als Spekulationsobjekt nicht mehr lukrativ genug erscheint, könnte stutzig machen. Während sich die Stadt für den Bau von blingbling „6000“ Wohnungen jährlich selber lobt, worunter sich allerdings nur 2000 Sozialwohnungen befinden, wird verschwiegen, dass letztere jährlich immer weniger werden- trotz Neubaus, der in dieser Zahl kaum in der Lage ist, die aus der Mietpreisbindung entfallenden Wohnungen zu ersetzen. Ohnehin kann Neubau in dieser Frage höchstens eine kurzfristige Lösung darstellen, da nach zwangsläufigem Fall der Wohnungen aus der Mietpreisbindung immer wieder die gleichen Probleme auftauchen werden. Festzustellen ist also eine den Bestand an Sozialwohnungen betreffende Negativbilanz, die gleichzeitig auf einen unerhörten und nicht zu erfüllenden Anspruch seitens 56% der Hamburger Haushalte auf eine geförderte Wohnung trifft.
Ohnehin ist Neubau, selbst wenn er einer des sozialen Wohnungsbaus sein sollte, niemals eine Antwort auf Verdrängung, da er meist dort stattfindet, wo eh keiner hin will- seiner möglicherweise durchaus positiven Effekte zum Trotz, ist er genauso als Mittel weiterer Segregation verwendbar.
Die Profitorientierung städtischer Wohnungspolitik zeigt sich deutlich anhand der SAGA/GWG, die, als kommunales Wohnungsunternehmen, ihrem sozialen Versorgungsauftrag zum Trotz renditegesteuert agiert bzw. agieren muss. Wenn schon ein städtisches Unternehmen seinem eigentlichen Auftrag nicht nachkommen kann, da es dazu verdammt ist, Profit zu erbringen, so ist seitens dieser städtischen Politik kaum ein auch nur ansatzweises Eingreifen in den Wohnungsmarkt zu erwarten. Ohnehin bleibt die Frage, inwieweit dieses überhaupt wünschenswert wäre. Denn wenn zwar bestimmte Regulierungen wie Mietobergrenzen, höhere Besteuerungen von Immobilieninvestitionen etc., an sich keineswegs abzulehnen sind, besteht die Gefahr, dass diese halbherzigen Eingriffe zu nicht viel mehr in der Lage sind als soziale Verwerfungen abzumildern. Eine Befriedung aber kann keinesfalls das Ziel sein, es gilt, die Profitorientierung als solche grundsätzlich in Frage zu stellen. Der private Wohnungsmarkt selbst muss zum Erliegen gebracht, die Eigentumsfrage muss gestellt werden. Eine nicht profit- sondern gemeinnützig-orientierte Wohnungsversorgung bleibt die einzig vertretbare Forderung.
Was vergessen? Kapitalismus abschaffen! Eh klar.
Gefunden auf http://de.indymedia.org/2013/06/345792.shtml