Zürich: Das Juch ist geräumt

Stellungsnahme zur geplanten Räumung des Juch-Areals.
Donnerstag 21.5.

Die Stadt Zürich hält an ihrem Ultimatum bezüglich des Juchareals fest. Morgen, am Freitag dem 22. Mai 2020 um Mitternacht, müssen die Besetzer*innen das Juchareal verlassen; sonst droht die von der Stadt angekündigte gewaltsame Räumung durch die Polizei.

Für die Räumung liegen aber bis jetzt noch immer keine Gründe vor. Zwar hat die Stadt auf Druck der Politik und der Bevölkerung Zürichs bei der letzten Räumungsdrohnung von einem Monat einen “Grund” für die Räumung des Juchareals angegeben – der Platz würde für Bauinstallationen der HRS Real Estate benötigt – doch es gibt noch immer keinerlei Hinweise, dass diese Rechtfertigung haltbar ist. Weder der Öffentlichkeit noch der Politik liegen Baupläne der HRS Real Estate vor, aus denen hervorgeht, dass sie das Gelände tatsächlich jetzt sofort für den Bau des danebenliegenden Stadions benötigt. Vor wenigen Monaten war noch von einer langfristigen, durch die Stadt vermittelten Zwischennutzung des Geländes die Rede, dann wollte die AOZ (Asylorganisation Zürich) die Baracken selber nutzen. Bauliche Mängel (namentlich die Bodenabsenkungen, für die die HRS verantwortlich ist) verunmöglichen jedoch diese Nutzungen. Hier kommt die HRS ins Spiel. Mit der Offenlegung der Miete des Areals durch die HRS gaukelt die Stadt Transparenz in Bezug auf den Räumungsgrund vor. Doch solange keine tatsächlichen Pläne der einzelnen Bauetappen vorliegen, ist diese Transparenz eine Farce. Nur wenn eingesehen werden kann, in welcher Bauetappe die HRS das Gelände zwingend miteinplanen muss, um bauen zu können, ist diese Begründung politisch annähernd haltbar. Dies ist nicht der Fall. Einen Bauinstallationsplatz als Räumungsgrund zu nennen ist schon dreist genug, doch dass für die Notwendigkeit dieses Lastwagenwendeplatzes kein konkreter Beweis vorliegt, macht die Begründung gleich doppelt zu einem Abriss auf Vorrat.

Nichts deutet darauf hin, dass die HRS dieses Gelände nutzen wollte. Aus internen Quellen haben wir den Hinweis, dass die Initiator*in für den Deal, das Gelände der HRS zu vermieten, nicht etwa die HRS selbst sei, sondern der Stadtrat. Die Stadt habe der HRS den Platz angeboten. Dass der Deal mit den Schadensersatzzahlungen zusammenhängt, die die HRS der Stadt wegen der Bodenabsenkungen auf dem Juchareal durch die Baustelle des Stadions schuldet, ist dabei naheliegend. Der Vertrag zwischen der Stadt und der HRS ist interpretationsbedürftig, so unsere Quellen. Es ist nicht klar, was für einen Vertrag es gibt, noch warum der abgeschlossen wurde. Es ist aber klar, dass Daniel Leupi (Grüne) und Raphael Golta (SP) als zuständige Personen den Handlungsspielraum und die Macht haben, der Juchbesetzung als kulturellen Ort und Lebensraum längstmögliches Bleiben zu gewährleisten. Das haben sie nicht getan! Es hätte Spielraum gegeben, doch sie haben den nicht genutzt, weil sie es nicht wollten! Das obwohl sie Politiker sind, die sich angeblich für “gesellschaftlichen Zusammenhalt, den Umgang mit den Schwächsten der Gesellschaft, bezahlbaren Wohnraum” (Golta), “für eine durchmischte Stadt mit Lebensqualität für alle” (Leupi) und für die Stadt als Ort für “Leute mit geringem Einkommen” (Leupi) einsetzen. Trotzdem haben sie die Entscheidung getroffen, die Juchbesetzung bald möglichst loszuwerden. Die Intransparenz in der ganzen Sache deutet darauf hin, dass an dem Deal zwischen der Stadt und der HRS Real Estate etwas faul ist. Auch interne Personen aus der Politik bestätigen dies. Wie die Petition zur Erhaltung der Juchbesetzung mit über 1600 Unterschriften und diverse Stellungnahmen von Politiker*innen aus AL, Grüne und SP zeigen, widerspricht die Räumung dem Interesse von vielen Menschen in dieser Stadt.

Die Stadt Zürich schiebt das Juchareal hin und her, um schliesslich mit der Nutzung durch die HRS einen fadenscheinigen Grund zu haben, um es zu räumen. Doch das Areal ist nicht leer und nicht ungenutzt! Die Besetzer*innen machen aus diesem Areal einen kulturellen Freiraum und öffnen das Gelände so für die Menschen dieser Stadt. Was auch immer hinter diesem Vertrag steckt, er ist faul! Der Boden dieser Stadt ist nicht für undurchsichtige Deals da. Wir wollen nicht über stadtpolitische Interna diskutieren! Eure parteipolitischen Spielchen interessieren uns nicht! Wir wollen bleiben!

Juch
unten [at] protonmail [dot] com
https://squ.at/r/7gaw
https://juch.zureich.rip/


Erklärung der Migrantifa zur Juch-Räumung

Die Geschichte des Juch ist eine Geschichte, welche eng mit der Geschichte des Rassismus in der Schweiz geknüpft ist.

Das Juchhof-Areal entstand als Barackensiedlung für so genannte „Gastarbeiter*innen“: Arbeiter*innen aus dem europäischen Süden, welche – rechtlich und gesellschaftlich stark diskriminiert – von Schweizer Unternehmen und der Schweizer Gesellschaft ausgebeutet wurden. Sie wurden als Ware, nicht als Menschen behandelt, die man nach der Ölkrise als Konjunkturpuffer schnell wieder los werden wollte.
Das Juch war danach 13 Jahre lang die grösste Notunterkunft für Illegalisierte. Viele der illegalisierten Geflüchteten waren Teil der Bleiberecht-Bewegung, besetzten Kirchen, wobei daraus die Autonome Schule ASZ entstand. Die Kämpfe spezifisch von Illegalisierten des Juchs sollten nie vergessen werden!
Vor der Leerstehung wurde das Juch als Testzentrum für die Bundesasyllager genutzt. Das Asylwesen ist ein repressives, gewaltsames Institut des Schweizer Staates. Es ist nicht zum Schutz der Geflüchteten, sondern zu ihrer Abwehr und Absonderung konstruiert. Während die Halbgefangenschaft der Bundesasyllager, die Internierung von Geflüchteten oder ihre Unterbringung in menschenunwürdige Bunker den einen Teil staatlicher rassistischer Gewalt bilden, bilden neokolonialistische Ausbeutung, imperialistische Kriege und die Unterstützung von Diktaturen im Trikont die andere Seite derselben Medaille.

Nach der Besetzung entstand ein vielfältiger und offener Raum, welche auch für Projekte von People of Color und Migrant*innen offenstand. Beispiele sind das Büro „Ping PoC“ der Linken PoC zur Unterstützung von People of Color und Geflüchteten, oder eine Bibliothek mit antikolonialer und antirassistischer Literatur. Wir konnten im Juch Initiativen bilden und entwickeln.
Es ist hervorzuheben, dass das Juch immer als ein Ort wahrgenommen wurde, welches gegenüber People of Color offen stand, und welches einen Freiraum bildete, in dem sich viele Initiativen mit antirassistischem Fokus bilden und ausbreiten konnten.

Deshalb sagen wir als People* of Color und Migrant*innen: Juch bleibt!


Veranstaltungen: Zürich https://radar.squat.net/de/events/city/Zurich/country/CH
Gruppen: Zürich https://radar.squat.net/de/groups/city/zurich/country/CH

Veranstaltungen: Schweiz https://radar.squat.net/de/events/country/CH
Gruppen: Schweiz https://radar.squat.net/de/groups/country/CH


quelle: https://juch.zureich.rip/petition-und-aktionswoche/
Barrikade: https://barrikade.info/Erklarung-der-Migrantifa-zur-Juch-Raumung-3543